Illustration in warmen Orange- und Blautönen: Ein Läufer, eine Ruderin, ein Schwimmer und eine Radfahrerin bewegen sich dynamisch im Sonnenlicht. Die Szene symbolisiert sportliche Vielfalt und Training unter Berücksichtigung der Laktatdiagnostik.

Nutzen und Relevanz der Laktatdiagnostik im Ausdauer- und Schnellkraftsport

Einleitung

Die Laktatdiagnostik bezeichnet die Messung und Interpretation der Laktatkonzentration im Blut unter körperlicher Belastung, meist in Form stufenförmiger Ausdauertests. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Instrument der Sportmedizin und Trainingswissenschaft entwickelt​(1)​. Ursprünglich wurde Laktat vor allem als „Abfallprodukt“ des anaeroben Stoffwechsels betrachtet, das mit Erschöpfung assoziiert ist​(1)​. Moderne Erkenntnisse haben jedoch zu einem Paradigmenwechsel geführt: Laktat ist nicht nur kein nutzloses Nebenprodukt, sondern erfüllt wichtige Funktionen als Energieträger und Signalmolekül im Körper​(1)​. Über den sogenannten Laktat-Shuttle kann Laktat z.B. als Brennstoff für Herz und Hirn dienen oder in der Leber zur Glukosebildung herangezogen werden​(1)​. Im sportlichen Kontext wird die Laktatmessung seit über 40 Jahren als einer der empfindlichsten Parameter genutzt, um die aerobe und anaerobe Kapazität eines Sportlers zu erfassen​(2)​. Insbesondere in den Ausdauersportarten (etwa Laufen, Radfahren, Schwimmen) gelten Laktatstufentests zur Bestimmung der individuellen anaeroben Schwelle als Goldstandard der Leistungsdiagnostik​(2)​. Doch auch in schnellkraftbetonten Disziplinen wie dem Sprint, Krafttraining oder Grenzbereichen wie dem Rudern spielt Laktat eine Rolle für die Beurteilung der anaeroben Leistungsfähigkeit und Ermüdungsresistenz. Die folgende Arbeit beleuchtet wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert den Nutzen der Laktatdiagnostik in den Ausdauersportarten Laufen, Radfahren und Schwimmen. Zudem wird ihr Stellenwert in Schnell- und Kraftsportarten (z.B. Rudern, Sprint, Krafttraining) untersucht. Ein zentrales Anliegen ist die Frage, ob die Laktatdiagnostik auch heute noch ein relevantes Instrument für Trainer\:innen und sportmedizinische Fachleute ist oder ob sie durch neue Methoden abgelöst wird. Der Bericht ist übersichtlich gegliedert und mit aktuellen Studienergebnissen, Tabellen und Abbildungen untermauert, um einen praktischen Leitfaden für die sportliche Praxis zu bieten.

Physiologische Grundlagen der Laktatdiagnostik

Unter intensiver körperlicher Belastung steigt der Anteil der Energiegewinnung aus der anaeroben Glykolyse, wobei Glukose zu Laktat abgebaut wird. Laktat selbst ist die konjugierte Base der Milchsäure und liegt im Blut fast vollständig dissoziiert als Laktat-Ion (La^−) vor​(3)​. Solange die Muskeln genügend Sauerstoff zur Energiegewinnung erhalten, bleibt die Laktatproduktion gering und das anfallende Laktat kann als Energiequelle weiterverwertet oder abtransportiert werden. Steigt die Intensität allerdings so weit, dass die Laktatbildungsrate die Laktatabbau- bzw. Verwertungskapazität übersteigt, kommt es zu einem kontinuierlichen Laktatanstieg im Blut – man spricht umgangssprachlich vom Erreichen der Laktatschwelle (auch anaerobe Schwelle)​(4)​. Dieser Punkt markiert den Übergang in einen vorwiegend anaeroben Stoffwechsel. Bei Untrainierten wird die anaerobe Schwelle oft schon bei etwa 50–60 % der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO₂max) erreicht, während hochtrainierte Ausdauersportler diese erst bei ~80–90 % VO₂max erreichen​(5)​. Dies verdeutlicht den Effekt von Ausdauertraining, das die Kapazität erhöht, Laktat zu bilden, zu tolerieren und wieder zu verwerten (metabolische Flexibilität)​(1)​. Ein zentrales Konzept der Laktatdiagnostik ist die Laktatleistungskurve, also die Beziehung zwischen Belastungsintensität und Blutlaktatkonzentration. Sie wird typischerweise in einem Stufentest ermittelt, bei dem die Belastung (z.B. Laufgeschwindigkeit oder Radleistung in Watt) schrittweise erhöht wird und am Ende jeder Stufe ein kleiner Blutstropfen (oftmals aus dem Ohrläppchen oder Finger) entnommen wird. Die Laktatwerte werden gegen die Leistung aufgetragen und ergeben eine kurvenförmige Funktion (siehe Abbildung 1). Bei geringen Intensitäten bleibt die Laktatkurve flach (überwiegend aerober Stoffwechsel). Ab einem gewissen Punkt beginnt sie stärker anzusteigen – hier liegt der aerob-anaerobe Übergangsbereich, in dem Laktatproduktion und -abbau sich die Waage halten. Die aerobe Schwelle wird häufig bei ~2 mmol/L Laktat angesetzt, die anaerobe Schwelle klassisch bei ~4 mmol/L (auch bekannt als 4-mmol-Grenze nach Mader)​(2)​. Individuell können diese Schwellen jedoch abweichen; daher haben sich in der Praxis auch individuelle Schwellenbestimmungen (etwa die Individuelle Anaerobe Schwelle, IANS) etabliert, die neben dem Laktatanstieg weitere Kriterien (Herzfrequenz, subjektive Belastung) berücksichtigen​(2)​.

Schematische Darstellung zweier Laktatleistungskurven: Kurve "a" zeigt einen gering trainierten Athleten mit früh steigendem Laktatwert, Kurve "b" einen hoch trainierten Athleten mit flacherer Kurve und verzögertem Laktatanstieg. Markiert sind die aerobe Schwelle (~2 mmol/L) und die anaerobe Schwelle (~4 mmol/L). Die Rechtsverschiebung der Kurve bei Trainierten symbolisiert eine verbesserte Ausdauerleistung. Ergänzt wird das Diagramm durch Trainingsbereiche: Grundlagenausdauer unterhalb der aeroben Schwelle, entwickelnde Ausdauer zwischen den Schwellen und MLSS-Bereich an der anaeroben Schwelle.
Laktatleistungskurve (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Laktatleistungskurve#/media/Datei\:LLK1.jpg)

Abbildung Laktatleistungskurve: Schematische Laktatleistungskurve zweier Athleten (a: gering trainiert, b: hoch trainiert). Dargestellt sind die typische flache Kurve im niedrigen Intensitätsbereich und der steilere Anstieg im Übergangsbereich. Die aerobe Schwelle liegt meist um ~2 mmol/L, die anaerobe Schwelle um ~4 mmol/L Laktat im Blut​(5)​. Eine Rechtsverschiebung der Laktatkurve (d.h. höhere Leistung bei gleicher Laktatkonzentration) über die Zeit zeigt eine Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit an​(5)​. Aus der Laktatleistungskurve lassen sich wichtige Kennziffern für die Trainingssteuerung ableiten, vor allem die Laktatschwellen. Diese Schwellen sind enorm praxisrelevant: Bei Intensitäten unterhalb der aeroben Schwelle befindet sich der Sportler im Grundlagenausdauerbereich (überwiegend Fettstoffwechsel, kaum Laktatanhäufung). Im Bereich zwischen aerober und anaerober Schwelle (oft als „entwickelnde Ausdauer“ oder GA2-Training bezeichnet) steigt das Laktat moderat an – dieser Bereich verbessert die aerob-anaerobe Kapazität. Belastungen an bzw. knapp oberhalb der anaeroben Schwelle können kurzfristig toleriert werden (Bereich des maximalen Laktat-Steady-State, MLSS), führen aber bei längerer Dauer zur Erschöpfung durch Laktatanhäufung und metabolische Azidose. Die Laktatdiagnostik macht sich dies zunutze, indem Trainer:innen und Sportwissenschaftler anhand der Laktatwerte die individuellen Trainingszonen festlegen. So kann das Training personalisiert gesteuert werden, um gezielt die Ausdauer zu verbessern, ohne den Athleten chronisch zu überfordern​(1)​. Im nächsten Schritt betrachten wir die konkrete Anwendung und den Nutzen dieser Methoden in verschiedenen Sportarten.

Laktatdiagnostik im Ausdauersport

Ausdauersportler – etwa Läufer, Radfahrer oder Schwimmer – profitieren besonders von einer regelmässigen Laktat-Leistungsdiagnostik. In diesen Disziplinen bestimmt die maximale Ausdauerleistungsfähigkeit massgeblich den Wettkampferfolg, und die Laktatschwellen stellen hervorragende Indikatoren dafür dar​(2)​. Der Laktatstufentest ist hier ein weit verbreitetes Verfahren, um den aktuellen Leistungsstand zu ermitteln und Trainingspläne darauf abzustimmen​(2)​. Im Folgenden wird für Laufen, Radfahren und Schwimmen beispielhaft dargestellt, wie Laktatdaten in der Praxis genutzt werden.

Laufen

In der Laufdisziplin – vom Mittelstreckenlauf bis zum Marathon – gilt die anaerobe Schwelle (häufig annähernd auf 4 mmol/L definiert) als einer der wichtigsten leistungsbestimmenden Faktoren. Ein Läufer, der z.B. 4 mmol Laktat erst bei deutlich höherem Tempo erreicht, verfügt über eine bessere Ausdauerleistungsfähigkeit als ein Läufer, der bereits bei niedrigerem Tempo diese Marke überschreitet​(2)​. Studien zeigen, dass die in Laktattests ermittelte Schwellen-Geschwindigkeit in der Tat sehr stark mit der Wettkampfleistung korreliert – oft besser als die maximale Sauerstoffaufnahme VO₂max​(2)​. Mit anderen Worten: Die Pace an der Laktatschwelle ist ein verlässlicher Prädiktor beispielsweise für die 10-km- oder Halbmarathonzeit, während VO₂max alleine weniger aussagekräftig für die Leistungsdifferenzierung unter trainierten Läufern ist​(2)​. In der Praxis führen Läufer meist einen Laktatstufentest auf dem Laufband oder der Bahn durch. Typischerweise wird alle 3–5 Minuten die Geschwindigkeit um ca. 1–2 km/h erhöht​(2)​, beginnend im lockeren Tempo bis zur Ausbelastung. Anhand der Laktatkurve lassen sich die Trainingsbereiche festlegen: z.B. Regenerations- und Grundlagenläufe deutlich unterhalb der aeroben Schwelle (~2 mmol), Tempodauerläufe knapp unter der anaeroben Schwelle (~4 mmol) und Intervalle oberhalb der Schwelle. Diese Individualisierung hilft, Übertraining zu vermeiden und gleichzeitig genügend Reize für Leistungssteigerungen zu setzen​(1)​. So wird etwa ein Marathonläufer wissen wollen, bei welcher Geschwindigkeit sein Laktatwert um 2–3 mmol liegt, um sein Marathonrenntempo entsprechend planen zu können (Eliteläufer können die Marathondistanz nahezu im Bereich ihres maximalen Laktat-Steady-State absolvieren, was Laktatwerte um 3 mmol/L entsprechen kann). Für einen 10-km-Läufer hingegen ist die 4-mmol-Schwelle oft nahe an seinem Wettkampftempo. Indem solche Schwellenwerte bekannt sind, kann das Training präzise dosiert werden: Tempodauerläufe knapp unter der Schwelle verbessern z.B. die Ausdauer, ohne den Athleten völlig zu erschöpfen, während Intervallserien oberhalb der Schwelle gezielt die Laktattoleranz und VO₂max steigern. Die sportmedizinische Leistungsdiagnostik liefert hierfür objektive Daten. Nicht zufällig nutzen erfolgreiche Läufer und Trainer dieses Instrument seit Jugendjahren, um Fortschritte zu überwachen und Trainingspläne anzupassen​(2)​.

Radfahren

Auch im Radsport ist die Laktatdiagnostik fest etabliert. Aufgrund der technischen Möglichkeiten (ergometrische Leistungsmessung in Watt) wird hier häufig von der Leistung an der anaeroben Schwelle gesprochen, also jener Wattleistung, bei der der Athlet ~4 mmol/L Laktat erreicht bzw. gerade noch im steady state bleiben kann. Für Radfahrer – ob Zeitfahrer, Strassensportler oder Mountainbiker – ist diese Schwellenleistung ein entscheidender Parameter. Sie wird teils synonym mit dem Begriff Functional Threshold Power (FTP) verwendet, der die maximale 60-Minuten-Dauerleistung beschreibt. Tatsächlich hat eine aktuelle Untersuchung mit Nachwuchs-Radrennfahrern gezeigt, dass die im Feld ermittelte 20-Minuten-FTP (95 % der 20′-Maximalleistung bergauf) sehr eng mit der klassischen 4-mmol-Schwellenleistung aus dem Labortest korreliert (r = 0,94)​(6)​. Allerdings lag die im Feld gemessene FTP im Schnitt signifikant höher als die Schwellen-Leistung im Labortest (269 W vs. 233 W)​(6)​. Dies verdeutlicht, dass protokollbedingte Unterschiede (z.B. bergauf Fahren, Motivation im Wettkampfmodus) die absoluten Werte beeinflussen können. Für Trainer bedeutet dies, Laborergebnisse ggf. vorsichtig zu interpretieren oder an die Realität anzupassen​(6)​ – die Aussagekraft innerhalb eines standardisierten Tests bleibt jedoch hoch, um Trainingsfortschritte zu erkennen. In der täglichen Trainingssteuerung setzen viele Radsport-Coaches auf eine Kombination von Feld- und Labordiagnostik. Die Laktatstufentests im Labor (Stufendauer oft 3–4 min, Anstieg 20–50 W pro Stufe) dienen dazu, die individuellen Trainingszonen festzulegen (GA1, GA2, Schwellenbereich, VO₂max-Bereich etc.) und objektive Werte zu erhalten​(2)​. So kann beispielsweise bestimmt werden, bei welcher Leistung der Athlet 2 mmol Laktat erreicht (aerobe Schwelle, relevant für lange Grundlagenfahrten) und bei welcher Leistung 4 mmol erreicht werden (Annäherung der anaeroben Schwelle). Zusätzlich ermittelt man häufig die VO₂max und maximale Leistungsfähigkeit am Testende. Die Laktat- und VO₂-Daten zusammen ergeben ein umfassendes Bild der Stärken und Schwächen des Athleten​(2)​. Für die Praxis werden daraus Empfehlungen abgeleitet, z.B. dass ein Radprofi seine langen Ausfahrten mit ~180 W absolvieren sollte (unter 2 mmol), Intervalle im Schwellenbereich bei ~300 W (um 4 mmol) und Spitzenintervalle weit darüber. Viele Profiteams führen solche Tests regelmässig durch, um Trainingseffekte zu überprüfen. Interessant ist, dass neuere Analysemodelle den Laktatdaten noch mehr Informationen abgewinnen: So wird zunehmend die maximale Laktatbildungsrate (V̇Lamax) als Kennzahl genutzt, insbesondere im Triathlon und Radsport. V̇Lamax beschreibt, wie viel Laktat pro Sekunde maximal gebildet werden kann – ein Mass für die anaerobe Leistungsfähigkeit. Ein hoher V̇Lamax begünstigt explosive Sprints, kann aber im Ausdauerkontext nachteilig sein, da er mit höherem Glykolyse-Einsatz und Kohlenhydratverbrauch einhergeht. Daher versuchen z.B. Ironman-Coaches, das Verhältnis aus VO₂max (Aerobie) und V̇Lamax (Anaerobie) zu optimieren. Leistungsdiagnostik-Unternehmen bieten Tests an, bei denen aus abgestuften Sprint- und Ausdauertests sowohl VO₂max als auch V̇Lamax berechnet werden, um ein individuelles Stärken-Schwächen-Profil zu erstellen. Das unterstreicht, dass die Laktatdiagnostik im Radsport heute nicht an Relevanz verloren hat, sondern mit neuen Parametern erweitert wurde.

Schwimmen

Im Schwimmsport ist die Laktatmessung ebenfalls etabliert, wenn auch die praktische Durchführung aufgrund des Mediums Wasser etwas aufwändiger ist. Insbesondere Kader- und Profi-Schwimmer absolvieren regelmässig LaktatTests im Rahmen ihrer Trainingssteuerung. Häufig wird ein Stufentest im Wasser durchgeführt, z.B. 5–8 × 200 m oder 7 × 400 m mit steigender Geschwindigkeit, wobei direkt nach jedem Abschnitt am Beckenrand Blut abgenommen wird. Alternativ entnehmen Trainer nach einzelnen intensiven Intervallen (z.B. 8×100 m Allout) Kapillarblut, um die Laktatakkumulation und Erholungsfähigkeit des Athleten zu beurteilen. Ähnlich wie bei Läufern und Radsportlern lässt sich aus den Schwimm-Laktatwerten eine Schwellen-Geschwindigkeit ableiten. Eine aktuelle Studie untersuchte die Laktatschwelle bei 20 Weltklasse-Freiwasserschwimmern (Open Water) mittels eines 7×400 m Tests​(7)​. Die Ergebnisse zeigten, dass die Schwellengeschwindigkeit (definiert als Schwimmtempo beim Erreichen der Laktatgleichgewichtsschwelle) bei den Männern im Schnitt 1,62 m/s (ca. 97 % der maximal erreichten Test-Geschwindigkeit) betrug, was einem Blutlaktat von ~3,8 mmol/L entsprach​(7)​. Bei den Frauen lag die Schwellen-Geschwindigkeit im Schnitt bei 1,46 m/s (~3,0 mmol/L). Interessanterweise unterschied sich bei den Männern die ermittelte Schwelle kaum von der pauschalen 4-mmol-Marke, während diese 4-mmol-Geschwindigkeit bei Frauen die wahre Schwelle etwas überschätzte​(7)​. Die Studie fand zudem einen klaren Zusammenhang: Athletinnen und Athleten mit höherer Schwellen-Geschwindigkeit erzielten bessere Wettkampfresultate (z.B. schnellere 1500 m Zeiten) – die Laktatschwelle erwies sich also als leistungsrelevanter Indikator​(7)​. Für Trainer im Schwimmen liefern Laktattests praktische Anhaltspunkte, um Trainingsbereiche festzulegen. Beispielsweise kann ein Schwimmer, dessen individuelle anaerobe Schwelle bei ~1,3 m/s liegt, sein Ausdauertraining im Bereich um 1,1–1,2 m/s absolvieren, während Intervalle über 1,3 m/s gezielt die Toleranz gegenüber Laktat verbessern sollen. In Sprint-Disziplinen des Schwimmens (50 m, 100 m) spielt Laktat ebenfalls eine Rolle: Obwohl die Rennzeit kurz ist (ca. 20–50 s), können Laktatspitzen von 10–15 mmol/L auftreten. Sprinter nutzen Laktatwerte nach speziellen Trainingssets (z.B. 4×50 m all-out aus dem Startblock) um zu prüfen, wie stark die anaerobe Glykolyse gefordert wurde und wie gut sie zwischen den Belastungen wieder abbauen können. Insbesondere Laktattoleranz-Training (z.B. 6×100 m maximal mit unvollständiger Pause) wird im Schwimmen häufig anhand der Laktatreaktion überwacht: Hohe Werte zeigen eine entsprechende Belastung des anaeroben Systems an, während fallende Werte über wiederholte Tests hinweg Fortschritte in der anaeroben Kapazität oder Verbesserung der Pufferkapazität anzeigen können. Insgesamt bleibt die Laktatdiagnostik für Schwimmer ein wertvolles Tool, um die Ausdauerleistung zu beurteilen und Trainingseinheiten optimal anzupassen.

Laktatdiagnostik im Schnell- und Kraftsport

In Disziplinen, die durch kurze, hochintensive Belastungen oder explosive Kraft gekennzeichnet sind, steht nicht die Ausdauer im Vordergrund – dennoch spielt Laktat auch hier eine wichtige Rolle im Stoffwechsel. Schnellkraftsportarten wie Sprintlauf, 400-m-Lauf oder auch das Rudern (als Mischform aus Kraft und Ausdauer) belasten den anaeroben Glykolyseweg stark und führen zu hohen Laktatwerten. Ebenso kann intensives Krafttraining (vor allem mit vielen Wiederholungen oder kurzen Pausen) beträchtliche Laktatkonzentrationen verursachen. Die Laktatdiagnostik in diesen Sportarten zielt weniger auf Schwellenbestimmung ab, sondern eher auf die Bewertung der anaeroben Kapazität, der Laktatbildungs- und Eliminationsrate sowie der Ermüdungsresistenz. Im Folgenden betrachten wir Rudern, Sprint und Krafttraining exemplarisch.

Rudern

Rudern ist eine Ausdauer-Sportart mit hoher Kraftkomponente. Ein 2000-m-Rennen dauert je nach Bootsklasse ca. 5:30–7:00 Minuten​(8)​ und fordert zu ~70–80 % das aerobe System, jedoch trägt auch der anaerob-laktazide Stoffwechsel erheblich bei (geschätzt 12–30 % der Energie je nach Tempo)​(8)​. Traditionell verwenden Ruderer seit Jahrzehnten Laktatstufentests, analog zu Läufern und Radfahrern, um ihre Ausdauerleistung zu überprüfen. Insbesondere die 4-mmol-Grenze wurde lange als „Standard-Schwelle“ im Rudern angesehen. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit (2024) hat 24 Studien mit insgesamt 797 Ruderern ausgewertet, um den Zusammenhang zwischen Laktatschwellen und 2000-m-Leistung zu untersuchen​(8)​. Das Ergebnis: Die Leistung bzw. Geschwindigkeit an der 4 mmol/L Schwelle korreliert in der Mehrheit der Studien sehr stark mit der 2000-m-Ergometerzeit (Korrelationskoeffizienten r > 0,85)​(8)​. In einigen Untersuchungen erklärten die Schwellen-Leistungen über 70 % der Varianz der Wettkampfzeit​(8)​. Dies untermauert, dass die Laktatdiagnostik im Rudern ein relevanter Prädiktor für die Wettkampf-Performance ist. Wenig überraschend nutzen Nationalmannschaften weltweit Laktattests, um etwa die Bootsbesatzungen leistungsabhängig zusammenzustellen oder Trainingsfortschritte zu monitorieren. Neben der Schwellenleistung interessiert Ruder-Trainer aber auch die maximale Laktatbildungsrate und die Pufferkapazität ihrer Athleten. Ein maximaler 2000-m-Lauftest oder Ergometertest endet bei Spitzenathleten in extremen Laktatwerten: In der deutschen Nationalmannschaft wurden beispielsweise unmittelbar nach einem all-out 2000-m-Ergometertest Blutlaktatwerte von bis zu 26 mmol/L gemessen (bei gleichzeitig gemessenem Blut-pH von nur 6,74!)​(9)​. Solche Werte verdeutlichen die enorme anaerobe Belastung im Endspurt eines Rennens. Um die anaerobe Leistungsfähigkeit gezielt zu beurteilen, setzen Sportwissenschaftler im Rudern ergänzend Kurzzeittests ein: z.B. einen 10-Sekunden-Maximalsprint auf dem Ergometer zur Bestimmung von V̇Lamax. In einer Studie mit U23-Ruderern wurde eine V̇Lamax zwischen 0,25 und 0,66 mmol·L^−1·s^−1 gemessen​(10)​. Interessanterweise korrelierten die Athleten mit höherer V̇Lamax auch mit einer höheren Glykolyse-Energieabgabe im 2000-m-Test und vor allem mit einer höheren Startleistung in den ersten 300 m des Rennens (r = 0,67)​(10)​. Dies bedeutet: Ein Ruderer mit hohem anaerobem Potenzial kann anfänglich mehr Leistung aufs Wasser bringen – jedoch geht dies oft Hand in Hand mit schnellerer Laktatakkumulation und der Herausforderung, diese im Rennverlauf zu tolerieren. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Laktatdiagnostik im Rudern zweigleisig eingesetzt wird: Einerseits zur Bestimmung der Schwellen (für die Ausdauerleistung und Trainingssteuerung langer Einheiten), andererseits zur Abschätzung der anaeroben Kapazität. Letzteres hilft, Trainingsmethoden individuell anzupassen. Ein Ruderer mit exzellenter Ausdauer aber relativ schwachem anaeroben System könnte z.B. durch spezielles Sprinttraining und Laktattoleranz-Übungen profitieren. Umgekehrt muss ein Athlet mit sehr hohem V̇Lamax lernen, seine Kräfte besser einzuteilen, um am Ende des 2000-m-Rennens nicht einzubrechen. Die Laktatwerte liefern hier objektive Anhaltspunkte, wo die Stärken und Schwächen liegen. In Summe bleibt Laktatmessung – vom Stufentest bis zur Nachbelastungs-Laktatmessung – ein essentielles Werkzeug im Rudersport, das auch im Zeitalter neuer Leistungsdiagnostik-Ansätze nicht wegzudenken ist.

Sprint (Kurzstreckenlauf)

Sprintdisziplinen im Laufen (z.B. 100 m, 200 m, 400 m) sind durch sehr kurze Belastungsdauer (10 s bis ca. 50 s) und maximalen Krafteinsatz gekennzeichnet. Hier dominiert der anaerob-alaktazide Energiestoffwechsel (ATP/KP) in den ersten Sekunden, gefolgt vom anaerob-laktaziden Anteil, besonders bei Strecken jenseits von 200 m. Obwohl die Dauer kurz ist, kann die Laktatproduktion enorm hoch sein, insbesondere beim 400-m-Lauf, der quasi ein „Longsprint“ an der Grenze zur Mittelstrecke ist. Elite-400-m-Läufer erreichen nach Wettkampfbelastungen Blutlaktatwerte von etwa ~18–20 mmol/L​(11)​, in Einzelfällen sogar darüber. Solche Werte sind vergleichbar mit denen von Ruderern oder Mittelstreckenläufern und zeigen, dass auch im Sprint eine erhebliche glykolytische Energieproduktion stattfindet, die zu metabolischer Übersäuerung führt. Die Laktatdiagnostik im Sprintbereich konzentriert sich vor allem auf zwei Aspekte: die maximale Laktatbildungs-Kapazität und die Laktattoleranz. Da klassische Stufentests mit Schwellenberechnung für 100-m- oder 200-m-Sprinter wenig Sinn ergeben (die Leistungsfähigkeit wird hier nicht durch Dauerbelastung limitiert, sondern durch Explosivkraft und Schnelligkeit), werden stattdessen häufig spezielle Testprotokolle genutzt. Ein Beispiel ist der Wingate-Test (30 s maximal auf einem Radergometer), der ursprünglich zur Bestimmung der anaeroben Kapazität entwickelt wurde. Dabei wird neben der maximalen getretenen Leistung häufig auch der Laktatwert einige Minuten nach Belastung gemessen, um die anaerobe Glykolyseleistung abzuschätzen. Ein sehr hoher Laktatwert zeigt, dass der Athlet in kurzer Zeit viel Energie aus Glykolyse beziehen konnte – ein Zeichen hoher anaerober Leistungsfähigkeit. Allerdings korreliert nicht in jeder Sprint-Disziplin ein höherer Laktatwert direkt mit besserer Leistung, da im 100-m-Lauf z.B. die Laufzeit stärker von neuromuskulären Faktoren abhängt und die Belastungsdauer zu kurz ist, um maximale Laktatwerte zu erreichen (ein 100-m-Sprint ist oft vorbei, bevor das Laktat seinen Peak erreicht). In längeren Sprints (300 m, 400 m) hingegen spielt die Laktatverträglichkeit eine enorme Rolle: Athleten müssen trotz starkem „Muskelbrennen“ die Geschwindigkeit hochhalten. Trainer setzen daher Laktatmessungen manchmal in der Vorbereitung ein, etwa nach einem 300-m-Testlauf, um zu sehen, wie der Athlet auf eine nahezu maximale Sprintbelastung reagiert. Wenn ein 400-m-Läufer nach 300 m bereits Laktatwerte von ~15 mmol hat und stark abbaut, kann dies ein Hinweis sein, dass an der Laktattoleranz gearbeitet werden muss​(12)​. Spezifische Intervalle (z.B. 3×300 m all-out mit kurzen Pausen) sollen den Körper trainieren, hohe Laktatmengen zu puffern und trotz Azidose koordinativ sauber zu sprinten. Die Laktatdiagnostik liefert hier objektive Feedbacks: Steigen die Laktatwerte im Verlauf eines Trainingsprogramms höher an, kann das auf eine verbesserte Glykolysefähigkeit hindeuten (der Athlet kann mehr anaerobe Energie mobilisieren); sinken die Werte bei gleicher Belastung, kann das auf eine effizientere Nutzung oder schnellere Elimination hindeuten. In der Praxis der Kurzsprint-Trainingssteuerung steht Laktat aber nicht so im Vordergrund wie im Ausdauertraining. Faktoren wie Sprinttechnik, Reaktionszeit, Maximalkraft und Schnelligkeitsausdauer lassen sich nicht direkt aus Laktat ableiten. Dennoch schätzen viele Sprinttrainer die Informationen aus gelegentlichen Laktat-Tests, um das Energiestoffwechselprofil ihrer Athleten zu kennen. Beispielsweise könnte man Sprinter in Kategorien einteilen: der „Laktat-Typ“ (Athlet erzielt extrem hohe Laktatwerte, hat große anaerobe Kapazität, evtl. prädestiniert für 400 m) vs. der „Alaktat-Typ“ (Athlet hat niedrigere Laktatbildung, dafür explosivere Schnellkraft, eher prädestiniert für 100–200 m). Solche Überlegungen sind natürlich vereinfacht, aber sie zeigen, dass Laktatdaten auch im Sprintbereich nützlich sein können, um Training individuell zu gestalten. Bei 400-m-Läufern, die an der Schwelle zwischen Sprint und Mittelstrecke liegen, werden Laktattests am häufigsten eingesetzt – hier überschneidet sich die Methodik mit der klassischen Ausdauerdiagnostik (z.B. 6×200 m-Stufentest mit Laktatmessung zur Bestimmung der Geschwindigkeit, ab der die Laktatkurve steil wird). Zusammenfassend behält Laktat auch im Sprint seine Bedeutung als Indikator für die anaerobe Energieumsetzung und Leistungsgrenze, wird aber selektiv und meist ergänzend zu anderen Tests eingesetzt.

Krafttraining

Im klassischen Krafttraining (z.B. Bodybuilding, Gewichtheben, CrossFit) steht die Entwicklung von Maximalkraft, Muskelmasse oder Muskelausdauer im Fokus. Reine Kraftleistungen (wie ein 1RM im Gewichtheben) beanspruchen primär das neuromuskuläre System und das alaktazide ATP/KP-System, mit vernachlässigbarer Laktatproduktion. Allerdings gibt es viele Trainingsformen im Kraftsport, die gezielt den metabolischen Stress erhöhen – man spricht oft von hypertrophieorientiertem Training mit mittleren Lasten und hohem Wiederholungszahlbereich oder kurzen Pausen. Hierbei kann es durchaus zu erheblichen Laktatansammlungen kommen, da die Muskeln wiederholt bis zur Ermüdung arbeiten. Ein typisches Beispiel: ein Bodybuilder absolviert eine Beinpresse mit 4 Sätzen à 15 Wiederholungen und 60 Sekunden Pause. Gegen Ende jeder Serie „brennen“ die Muskeln – ein Zeichen hoher Laktatkonzentration lokal. Messungen zeigen, dass nach solchen intensiven Serien durchaus Blutlaktatwerte von 8–12 mmol/L erreicht werden können, bei Ganzkörper-Zirkeltraining noch höher. Diese Laktatbildung im Krafttraining ist kein Makel, sondern sogar gewünscht, da Laktat als Signalmolekül fungiert: Hohe Laktatspiegel gehen mit einer Ausschüttung von Wachstumshormonen und anderen anabolen Hormonen einher​(3)​. Es wurde beispielsweise beobachtet, dass Laktat direkt die Testosteronproduktion in Zellkulturen stimulieren kann​(3)​. Metabolischer Stress – zu dem Laktat beiträgt – wird als einer der drei Hauptmechanismen für Muskelhypertrophie angesehen (neben mechanischer Spannung und Muskelschäden)​(13)​. Die Laktatdiagnostik im Krafttraining ist überwiegend Gegenstand der Wissenschaft und weniger ein Routine-Tool für Fitnesscoaches. In Studien werden oft Laktatmessungen vorgenommen, um die Beanspruchung verschiedener Protokolle zu vergleichen. Praktiker im Hochleistungstraining nutzen Laktatmessungen gelegentlich in speziellen Fällen: Etwa in der Vorbereitung von 400-m-Läufern oder Skifahrern, die Kraftausdauer-Zirkel trainieren, könnte ein Trainer nach der letzten Runde den Laktatwert messen, um die Belastungsdosierung zu objektivieren. Wenn ein Athlet nach einem solchen Zirkel „nur“ 4–5 mmol erreicht hat, war die Belastung vermutlich noch nicht maximal im anaeroben Bereich; Werte um 10 mmol würden zeigen, dass die Einheit extrem fordernd war und entsprechend Erholungszeit nötig ist. Auch im Mannschaftssport kommt dies vor: Einige Athletiktrainer messen in der Saisonvorbereitung nach intensiven Konditionseinheiten (z.B. Shuttle Runs, Hochintensive Intervallzirkel) stichprobenartig Laktat, um den Zustand der Spieler einzuschätzen. Ein erhöhtes Ruhe-Laktat am nächsten Morgen könnte z.B. auf unvollständige Erholung hindeuten. In der klassischen Gewichtheberszene spielen Laktatwerte kaum eine Rolle, da die meisten Hebeversuche kurz und fast rein alaktazid sind. Anders bei CrossFit und Functional Training: Hier werden oft Workouts absolviert, die 5–15 Minuten auf sehr hohem Puls dauern (metcons), wo Laktatwerte wie bei einem 1500-m Lauf auftreten können. Entsprechend existieren sogar in der CrossFit-Community Ansätze, Laktatverträglichkeit zu trainieren – beispielsweise durch Intervallmethoden ähnlich dem Ausdauertraining. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Laktatdiagnostik im Krafttraining kein Alltagswerkzeug ist, aber das Wissen um die Laktatwirkung sehr wohl in die Trainingsplanung einfließt. Trainer wissen, dass etwa kurze Pausen in Hypertrophieplänen zu höherer Laktatakkumulation und damit zu einem anderen Reiz führen als lange Pausen. Das wachsende Verständnis, dass Laktat ein „Multitalent“ ist – Energieträger, Regulationssignal und kein bloßes Abfallprodukt – hat auch im Kraftsport die Akzente verschoben​(1)​. So werden hochintensive Trainingsmethoden, die früher vielleicht vermieden wurden („zu viel Laktat in einem Krafttrainingseinheit“), heute gezielt eingesetzt, um etwa die hormonelle Reaktion zu optimieren. Die Wissenschaft liefert hierzu laufend neue Erkenntnisse, doch die Praxis hat viele dieser Ideen bereits übernommen.

Aktuelle Relevanz, Nutzen und Grenzen der Laktatdiagnostik

Die aufgezeigten Beispiele verdeutlichen, dass die Laktatdiagnostik in unterschiedlichsten Sportarten wertvolle Informationen liefert – von der Ausdauerleistungsfähigkeit bis zur anaeroben Kapazität. Doch ist sie heute noch unverzichtbar? In Zeiten von Power-Metern, GPS-Uhren, Herzfrequenzvariabilitäts-Messungen und anderen High-Tech-Tools stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Laktatmessung neu. Moderne Trainingssteuerung kann zum Teil Schwellenleistungen auch ohne Blutentnahme abschätzen (z.B. durch Critical-Power-Tests oder Algorithmen, die aus Wettkampfleistungen die Schwelle hochrechnen). Zudem ist die Laktatabnahme invasiv und erfordert jedes Mal einen Testaufwand. Dem stehen jedoch klare Vorteile gegenüber, die nach wie vor die Relevanz untermauern. Zunächst gilt: Die Laktatmessung ist ein direkter physiologischer Marker der Stoffwechsellage. Während z.B. Herzfrequenz oder Leistung äussere Belastungsindikatoren bzw. indirekte Maße sind, zeigt die Laktatkonzentration unmittelbar, wie der Körper auf eine gegebene Belastung metabolisch reagiert. Dieses Merkmal macht Laktatmessungen so wertvoll für die Feinsteuerung. Prominente Leistungsphysiologen argumentieren entsprechend, dass Laktatdaten im Training unersetzlich seien. So wird Iñigo San Millán (Trainer von Tour-de-France-Siegern) zitiert: „Laktattests sind wahrscheinlich die beste Methode, um die metabolische Belastung der Muskulatur und die Leistungsfähigkeit zu beurteilen, besonders bei Ausdauersportlern“​(14)​. Dieses Statement spiegelt sich in der Praxis vieler Profi-Teams wider, die regelmässig Laktat messen, obwohl ihre Athleten mit Leistungsdaten aus dem Training gesättigt sind. Die Kombination aus subjektivem Gefühl, Leistungsdaten (Watt, Pace) und objektiver Laktatmessung ergibt das kompletteste Bild. Gleichzeitig muss man die Limitationen anerkennen: Laktatwerte können je nach Messprotokoll variieren. Wie zuvor erwähnt, führen z.B. kürzere Stufendauern tendenziell zu höheren erreichten Schwellenleistungen im Test als längere Stufen​(2)​. Auch äussere Faktoren (Temperatur, Ernährungsstatus, Entwässerung) beeinflussen die Laktatbildung. Ohne sorgfältige Standardisierung und Interpretation durch Fachleute kann man mit Laktatdaten Fehlschlüsse ziehen. Ein weiterer Aspekt ist der Aufwand: Ein Laktatstufentest erfordert mindestens 20–30 Minuten, mehrere Blutabnahmen und im Idealfall professionelle Betreuung – das lässt sich nicht täglich durchführen. Hier kommen inzwischen alternative Konzepte ins Spiel, etwa die Critical Power (kritische Leistung) und Critical Speed Modelle, bei denen durch mehrere kurze Feldtests (z.B. All-Out-Rennen über 3 und 12 Minuten) die individuelle Leistungsfähigkeit modelliert wird. Diese Konzepte haben den Vorteil, ohne Laktatmessung Trainingsbereiche ableiten zu können​(2)​. Viele Hobbysportler nutzen anstelle von Laktatdaten schlicht die Herzfrequenz oder neuere Ansätze wie die Ventilatorische Schwelle (Atemgasanalyse) zur Steuerung. Im Leistungssport jedoch werden solche Methoden oft ergänzend eingesetzt, nicht ersatzweise. Denn nach wie vor liefert der Laktatstufentest valide und zuverlässige Daten zur Ausdauerleistung​(2)​, gerade im Vergleich zwischen Athleten oder im langfristigen Verlauf​(2)​. Zudem ist er sportartspezifisch adaptierbar (Laufband, Radergometer, Rudermaschine, Schwimmtest etc.), was die Vergleichbarkeit erhöht​(2)​. Ein spannender Ausblick für die Relevanz der Laktatdiagnostik ist die technologische Entwicklung. Derzeit kommen erste kontinuierliche Laktatsensoren auf den Markt, die – ähnlich wie man es von Glukosemessgeräten kennt – Sportlern erlauben sollen, während des Trainings fortlaufend ihren Laktatwert zu überwachen​(15)​. Solche Wearables, etwa als Pflaster oder Armband, messen Laktat z.B. im Schweiss oder im interstitiellen Gewebe. Sie versprechen, die bisherigen Nachteile (punktuelle, invasive Messung) zu reduzieren​(14)​. Zwar stehen diese Geräte noch am Anfang und die Zuverlässigkeit muss sich in der Praxis beweisen, aber Pilotstudien sind vielversprechend​(16)​. Sollte ein Echtzeit-Laktatmonitoring breit verfügbar und genau werden, könnte dies die Laktatdiagnostik regelrecht revitalisieren: Athleten könnten dann live sehen, wann sie in den anaeroben Bereich kommen, und Trainer könnten intervalldynamisch eingreifen. Dies zeigt: Weit davon entfernt obsolet zu sein, erlebt das Konzept Laktatmessung eher eine Modernisierung. Nichtsdestotrotz gibt es auch kritische Stimmen. Einige Fachleute fragen, ob im Amateurbereich der Nutzen die Kosten rechtfertigt. Für einen Freizeitsportler, der 3× pro Woche joggt, ist ein Laktattest vielleicht weniger relevant – hier reichen grobe Faustformeln oder Herzfrequenzbereiche aus. Aber sobald ambitionierte Ziele (Marathon unter 3 Stunden, Ironman, Leistungswettkämpfe) ins Spiel kommen, kann Laktatdiagnostik den Unterschied zwischen planlosem Training und optimiertem Training bedeuten. Die heutigen Trainingspläne im Ausdauersport basieren nach wie vor oft auf den Ergebnissen der Laktatdiagnostik, und fast jeder Profiathlet im Ausdauerbereich durchläuft regelmässig solche Tests. Für Schnell- und Kraftsportler ist die Relevanz selektiver, aber auch hier trägt das Verständnis der Laktatprozesse zur Gestaltung effektiver Trainingsprogramme bei. Die Tabelle 1 fasst die wichtigsten Vorteile der Laktatdiagnostik und mögliche Grenzen bzw. Alternativen zusammen, wie sie in aktuellen Quellen diskutiert werden:

Vorteile der Laktatdiagnostik

Insgesamt überwiegen im Leistungssport die Vorteile deutlich, wohingegen im Breitensport der Aufwand einer Laktatmessung bedacht werden muss. In Klammern sind exemplarisch Literaturstellen angegeben, die den jeweiligen Punkt untermauern.

  • Direkter Marker der Stoffwechselbelastung und Ermüdung (zeigt anaerobe Anteile an)
  • Gilt seit Jahrzehnten als Goldstandard zur Bestimmung der anaeroben Schwelle​(2)​
  • Liefert valide und reliable Daten zur Ausdauerleistungsfähigkeit​(2)​
  • Hilft bei individueller Trainingssteuerung (Vermeidung von Über-/Unterlastung)​(1)​
  • Starke Leistungskorrelation: Schwellenleistung prognostiziert Wettkampferfolg​(2)​
  • Erkenntnisgewinn auch in Nicht-Ausdauersportarten (z.B. anaerobe Kapazität, Hormonausschüttung)
  • Neue Technologien (kontinuierliche Laktatsensoren) erleichtern die Anwendung zukünftig​(14)​

Mögliche Nachteile / Grenzen

  • Invasiv (erfordert Blutentnahme) und leicht zeitverzögert (kein Live-Wert)
  • Werte abhängig von Protokoll und Standardisierung (Stufendauer, Messgerät)​(2)​
  • Aufwand: Tests benötigen Labor/Expertise, für Alltagstraining ungeeignet
  • Alternativen vorhanden (Critical Power, Herzfrequenz, Spiroergometrie)​(2)​
  • Interpretation erfordert Fachwissen (versch. Schwellenkonzepte, Pufferkapazität etc.)
  • In einigen Sportarten weniger praxisrelevant (z.B. Maximalkraft ohne Laktatbeteiligung)
  • Bisher limitiert verfügbar; herkömmliche Laktatmessung bleibt punktuell

Fazit

Die Laktatdiagnostik hat auch im Jahr 2025 nichts von ihrer Relevanz eingebüsst – im Gegenteil, sie bleibt ein zentrales Werkzeug für Trainer\:innen und Sportmediziner, um die Leistungsfähigkeit von Athlet\:innen fundiert zu bewerten und das Training zu steuern. In den klassischen Ausdauersportarten Laufen, Radfahren und Schwimmen ist die Bestimmung der individuellen Laktatschwelle nahezu unverzichtbar, um personalisierte Trainingszonen festzulegen und Fortschritte objektiv zu verfolgen. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen immer wieder den hohen prognostischen Wert von Laktatparametern für die Wettkampfleistung​(8)​. Für die Sportpraxis bedeutet dies: Wer im Ausdauertraining auf Laktatdaten zurückgreift, kann gezielter und effektiver trainieren, indem Belastungsintensitäten optimal dosiert und Überlastungen vermieden werden. Auch in Schnellkraft- und Kraftsportarten liefert die Laktatdiagnostik wertvolle Einsichten. Obgleich sie dort selektiver eingesetzt wird, kann sie die anaerobe Kapazität und Regenerationsfähigkeit quantifizieren – Faktoren, die z.B. im Rudern oder 400-m-Lauf wettkampfentscheidend sind. Zudem hat die moderne Sportwissenschaft Laktat als Schlüsselmolekül entdeckt, das weit über den Ausdauerbereich hinaus physiologische Anpassungen steuert​(1)​. Dieses Verständnis fließt in innovative Trainingsmethoden ein, die Leistungsfähigkeiten ganzheitlich verbessern. Die Frage „Ist Laktatdiagnostik heute noch relevant?“ lässt sich somit eindeutig mit Ja beantworten. Sie ist nach wie vor ein wichtiges Puzzlestück im Leistungsdiagnostik-Portfolio. Allerdings wird sie sinnvollerweise mit anderen Methoden kombiniert – sei es die Herzfrequenz- und Leistungsanalyse, die Spiroergometrie oder neuartige Feldtests. Keine dieser Methoden ersetzt die Laktatmessung vollständig, aber zusammen ergeben sie ein umfassenderes Bild. Letztlich hängt die Relevanz immer vom Ziel und Niveau des Sportlers ab: Für die Weltspitze und ambitionierte Athleten ist Laktatdiagnostik ein Muss, um letzte Prozente an Leistung herauszukitzeln. Für Freizeitsportler ist sie ein Kann, das zusätzlichen Einblick geben kann, aber nicht zwingend nötig ist. Der Trend zeigt, dass mit fortschreitender Technologie (z.B. Wearables für Laktat) die Anwendung noch breiter und praxisnäher werden könnte – was das Potenzial der Laktatdiagnostik weiter steigert. Trainer:innen und medizinisch-therapeutische Fachpersonen, die Laktattests durchführen oder in Erwägung ziehen, können sich durch aktuelle Studien in ihrer Arbeit bestärkt fühlen: Laktat bleibt eine aussagekräftige Kenngröße der Leistungsphysiologie. Entscheidend ist, die Daten im Kontext zu interpretieren und stets das Wohl und die Ziele des Athleten in den Mittelpunkt zu stellen. Dann ist die Laktatdiagnostik auch in der modernen Trainingspraxis ein wertvolles Instrument, um Leistung gezielt zu entwickeln und Erfolg messbar zu machen.

Quellen:

  1. h-p-c.at
  2. sems-journal.ch
  3. mdpi.com
  4. willpowerstrength.com
  5. de.wikipedia.org
  6. journals.lww.com
  7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. sportsmedicine-open.springeropen.com
  9. germanjournalsportsmedicine.com
  10. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. pmc.ncbi.nlm.nih.gov
  12. journals.humankinetics.com
  13. pmc.ncbi.nlm.nih.gov
  14. frontiersin.org
  15. molab.me
  16. outsideonline.com
  17. triathlete.com